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Das Jahr neigt sich dem Ende zu und per Zufall bin ich im Internet auf den Begriff „Jahresendflügelfigur“ gestoßen. Angeblich soll dieser Begriff aus der ehemaligen DDR stammen und die ideologisch korrekte Bezeichnung für ein Weihnachtsengel sein. Recherchen diesbezüglich können das nicht sicher bestätigen, wobei dieser Begriff derart typisch formuliert ist, dass er durchaus aus dem DDR-Kader-Wortschatz stammen könnte. Immerhin entsprangen dieser Ideologie auch Blüten wie „Bedarfsunterdeckung“ für die Unterversorgung im Einzelhandel oder „akrobatischer Volkstänzer“ für einen Breakdancer.

Wie dem auch sei, das Wort „Jahresendflügelfigur“ besticht durch seine simple beschreibende Art und strahlt den Charme eines stillgelegten Kühlschranks aus. Jede Phantasie, jede Lebendigkeit wird mit solch einem Wortkonstrukt schon im Keim erstickt. Als Definition eines Weihnachtsengels sicher eine erfolgreiche Wortwahl, da der realexistierende Sozialismus jeden Bezug zum Religiösen zu vermeiden suchte. Auch der „akrobatischer Volkstänzer“ vermeidet jegliche Beschreibung des Musikgefühls und dem Tanz – Okay, in dem Fall kam er ja auch vom Klassenfeind. Immerhin nimmt der Begriff aber Bezug auf das Volk, dem dieser Tanz entsprungen ist.

Jetzt sollte man aber nicht meinen, dass solch feinsinnigen Wortkonstrukte nur den ehemaligen sozialistischen Staaten vorbehalten waren. Ein Blick in die Liste der Unwörter des Jahres offenbart Wortkreationen wie beispielsweise „Entlassungsproduktivität“, „sozialverträgliches Frühableben“, „notleidende Banken“ oder „betriebsratsverseucht“.

Im Grunde wollte ich über Kreativität und Vorstellungskraft schreiben, jene Eigenschaften, die den Mensch als solches seit seinem Erscheinen auf diesem Planeten ausgezeichnet hat, das Wesen, das mittels seiner Vorstellungskraft Taten folgen ließ. Man kann auch sagen, dass erst durch die menschliche Kreativität Fortschritt entstanden ist. Die sprachlichen Ergüsse der Politbüros und PR-Agenturen demonstrieren, wie mit Kreativität die gelebte Realität durch eine Vorstellung von etwas anderem ersetzt werden soll.

Dem möchte der Excel-Ticker jetzt aktiv entgegen wirken, indem er bis zum 15. Januar 2011 eine kreative Pause einlegt. Und, um die Vorstellungskraft zur Jahresendzeit ein wenig zu trainieren, haben wir eine kleine Übung gefunden:

In diesem Sinne, wir wünschen allen unseren Lesern und Leserinnen ein angenehmes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Dies ist ein Gastartikel von Claudia Vaessen, herzlichen Dank dafür :-)